Mein Ziel ist:
Die Farb- und Formstrukturen einer vertrauten Umwelt schöpferisch zu erweitern und die Schönheit und Harmonie einer zweckentbundenen Form- und Farbordnung als Bildwirklichkeit sichtbar und erfahrbar zu machen.
Der Weg dorthin führt über die Organisation eines Planes - die notwendigen Zuordnungen und Zusammenhänge der einzelnen Teile.
Es handelt sich um die Idee einer "konkret herstellenden Kunst", wobei das Gestaltete nicht über sich hinaus weist. Vielmehr bedeutet es nur sich selbst.
R.L.
Vorstellung Rolf Lussem
zur Ausstellungseröffnung in Dillingen am 20.03.2005
Es ist die konkret-konstruktivistische Kunstrichtung, die eine der Wurzeln bildet, auf der die Kunst Rolf Lussems fußt. Rolf Lussem gehört zu den immer weniger werdenden hauptberuflichen Künstlern und so ist selbstverständlich davon auszugehen, dass er sich als akademisch ausgebildeter Maler mit den sogenannten „,Großen" dieser Stilrichtung auseinandersetzte, um eine eigene Bildsprache zu entwickeln. Es ist für einen heute arbeitenden Künstler nicht immer leicht mit den Großen der Kunstgeschichte verglichen oder sogar daran gemessen zu werden. Die Qualität der Arbeiten jedes Künstlers zeigt sich doch darin, ob es dem Künstler gelingt in den Dialog mit dem Betrachter zu treten.
Da sich Rolf Lussem aber der Tradition der „Konkreten Kunst" und ihrer Ästhetik eindeutig zugehörig fühlt und es versteht sich dort durch eine eigene Bildsprache zu behaupten, mag es erlaubt sein, hier auf die Grundlagen dieser Kunstrichtung einzugehen.
Zu den zentralen Neuerungen der Bildenden Kunst des 20. Jahrhunderts gehört zweifelsfrei die Abstraktion. Mit ihr wird ein Weg der Malerei beschritten, der sich eindeutig abwendet von der Jahrhunderte andauernden Vorherrschaft der Abbildung. Besonders durch die Erfindung der Fotographie erschien die Hinwendung zur Abstraktion die logische Folge.
Es bildeten sich am Anfang des 20. Jahrhunderts zwei Richtungen, die bis heute gelten.
1. die, die das Ideal von Klarheit, Präzision und Formenstrenge anstrebt.
2. die, die Unklarheit, die Auflösung von Formen und Konturen anstrebt.
Beim Betrachten der Arbeiten von Rolf Lussem ist unübersehbar, dass er sich seit seinem Studium in den 70er Jahren mit den Pionieren der konstruktiven Kunst beschäftigte. Direkten Kontakt zum Bauhaus bekam Rolf Lus-sem durch die Zusammenarbeit mit Prof. Rudolf Ortner, der am Bauhaus Schüler von Kandinsky und Mies van der Rohe war.
Kandinsky schreibt 1931 (Cahiers d' Art 7/8), dass er auf die Tatsache gestoßen sei, dass es zum Ausdruck der inneren Notwendigkeit (das, was den Künstler bewegt) nicht notwendig sei, Gegenständliches darzustellen. Er entdeckte, dass
ein Punkt im Bild manchmal mehr sagen kann als ein menschliches Gesicht, dass die Berührung des spitzen Winkels eines Dreiecks in einem Kreis in der Tat nicht weniger Wirkung hat als die des Fingers Gottes mit dem Finger Adams bei Michelangelo.
Die Pioniere der Konkreten Kunst bemühten sich, die Aufgaben der Kunst auch theoretisch zu formulieren. So heisst es im Manifest der Konkreten Kunst (herausgegeben u. a. von Theo van Doesburg):
„1. Das Kunstwerk ist universal. 2. Das Kunstwerk sollte genau konzipiert und geistig geformt sein bevor es ausgeführt wird. 3. Das Gemälde sollte vollständig aus rein plastischen Elementen konstruiert sein, das heisst aus Flächen und Farben. 4. Das Gemälde hat keine andere Bedeutung als sich selbst. 6. Absolute Klarheit sollte angestrebt werden.«
Ich denke, dass Rolf Lussem einige dieser Regeln verinnerlicht hat. Seine Arbeiten konstruiert er mit mathematischer Genauigkeit. Man merkt es den Arbeiten an, dass der Künstler sich vor dem ersten Pinselstrich geistig mit der Konstruktion auseinandersetzte. Die Planung der Formen geht manchmal so weit, dass einzelne unterschiedliche Formen den exakt gleichen Flächeninhalt haben. Das spielerisch-leichte Element in dieser Kunst ist die persönliche Bildsprache von Rolf Lussem. Die geometrischen Formen scheinen schwerelos auf dem Bildgrund zu schweben. Auffällig in Lussems Arbeiten ist die Aufhebung der Schwere, des Statischen in der geometrischen Form. Eine gewisse Leichtigkeit, ja Verspieltheit spricht aus den Bildern, in denen geometrische Form mit leichter Linie korrespondiert. Form im Bild hat immer etwas Schweres, Gewichtiges. Die Linie erscheint leicht, schnell - wie ein Schnitt. Durch die Zusammenführung von Form und Linie erhält die Form Leichtigkeit, die Linie Gewicht.
Gerade die Verwendung der kontrastierenden Linie vermag es Bewegung in die Bilder zu bringen. Indem das Auge des Betrachters ihr folgt wird sie so zu einem Wegweiser durch das Bild.
Bisher habe ich von der Form im konkreten Bild gesprochen. Das andere wichtige Element ist natürlich die Farbe. Farben sind nicht nur assoziativ, indem sie menschliche Empfindungen
(Freude-Trauer) ausdrücken, sondern auch dadurch, dass sie gefühlsmäßige Aspekte des Lebens bedeuten. So ist Gelb eine irdische Farbe, Blau eine himmlische, sphärische Farbe.
Der Bildaufbau eines konkreten Kunstwerks wird vom Bewusstsein des Künstlers bestimmt. Der Künstler sucht nach einer Farbordnung um sein Empfinden auszudrücken und nach einer Symbolsprache, da auch Formen (Kreis, Linie, Quadrat) bestimmte Assoziationen hervorrufen. Der Künstler muss sich bewusst sein, dass er Form und Farbe nicht nur verwendet, um sein eigenes Empfinden auszudrücken, sondern dass er bestimmte Reaktionen beim Betrachter aufrufen muss. Farben haben physische Wirkungen, die in Kombination Stimmungen und Empfindungen im Bild ausdrücken. Formen sind Kräfte, die physisch in unser Bewusstsein eindringen, wie Töne es tun. Diese Möglichkeiten muss der Künstler bewusst dazu verwenden, um im Betrachter bestimmte ästhetische Reaktionen hervorzurufen. Das Kunstwerk ist eine Zusammenstellung konkreter Form- und Farbelemente, die durch die Zusammenstellung oder Anordnung ausdrucksvoll werden.
Das Auge des Betrachters der Arbeiten von Rolf Lussem wird von Formen und einer dramaturgisch geplanten Farbwahl geführt. Darin liegt ihre Qualität. In jedem Bild findet das Auge Ruhe, Spannung, Entspannung, Rhytmus und Überraschungsmomente. Die Konzentration des Künstlers bei der Entstehung der Arbeiten geht auf den Betrachter über. Die technische Ausführung ist gekonnt. Es ist Handarbeit mit Acrylfarben und keine Computer-technik. Trotz der Reduktion auf fast ein Minimum, verstehen es diese Bilder Konzept, Form- und Farbe, Ruhe und Spannung, Statik und Bewegung, Leichtigkeit und Schwere in sich zu vereinigen.
Abschließen möchte ich mit einem Zitat von Max Bill, das meiner Meinung nach sehr gut die hier ausgestellten Arbeiten beschreibt: „Konkrete Kunst ist in ihrer letzten Konsequenz der reine Ausdruck von harmonischem Maß und Gesetz. Sie ordnet Systeme und gibt mit künstlerischen Mitteln diesen Ordnungen das Leben. Sie ist real und geistig, unnaturalistisch und dennoch naturnah."
Ulrike Strobel, Kunsthistorikerin